Beim Anwalt

Es ist höchste Zeit, sich um das eigene Ende Gedanken zu machen. Was kommt danach? Sind alle versorgt? Was passiert mit den Comics? Glücklicherweise scheint der Tag des Jüngsten Gerichts für mich noch in weiter Ferne zu sein, aber man weiß ja nie. Wenn man wie ich schon einige Nahtoderfahrungen mit dem HSV gesammelt hat, ist man stark sensibilisiert.

Für den Fall des Falles sollte man bestimmte Dinge klären, besonders wenn man Eigentümer von Haus und Hof ist, da kann ´ne Menge schief laufen, lies ich mir sagen und machte einen Termin beim Anwalt. Ein Testament muss her. Macht zwar alles Sinn, ist aber trotzdem schon ein sehr komisches Gefühl. Ein paar Tage später, umgeben von Akten, Paragrafen und Fachbüchern kommt man sich im Besprechungszimmer recht dumm vor. Um nicht zu sagen: ausgeliefert.

Wie angenehm, dass die Anwältin mit jugendlicher Frische und etwas Herz und Schnauze die ganze Angelegenheit erwärmend pragmatisch anging. “Also, Sie sterben jetzt mal zuerst, die Kinder langen dann so richtig schön zu und schon ist Ihre Frau echt gekniffen. Oder umgekehrt.” Trotz des lockeren Tons wird man da sehr schnell hellhörig. Mehrfaches naives Nachfragen brachte ans Licht, dass es ratsam sei, der Unersättlichkeit der eigenen Brut einen Riegel vorzuschieben. Entsprechend stichhaltige Formulierungen werden sofort geprüft. Tatsächlich, schießt es mir durch den Kopf, wollte der Jüngere nach fast 3 Jahren letzten Dienstag schon wieder neue Sneaker haben. Dieser Charakterzug scheint also veranlagt zu sein.

Überall Geier

“Jaja, und wenn Ihre Frau dann wieder heiratet, kann der Neue dann ja voll mit einsteigen.” Ich: “Watt?” Sie: “Ja sicher, der ist dann voll im Rennen.” Ich: “Watt tun?” Zur Richtigstellung, ich wünsche meiner Herzdame nur das Beste, aber einen Prinz Erbschleich … hm, nö. Spontan fällt mir Grönemeyers “Was soll das” ein. Aber glücklicherweise ist die deutsche Justiz auch für diesen Fall gerüstet.

Die Wiederverheiratungsklausel lässt prämortale Gefühle der Eifersucht gar nicht erst aufkommen. Wobei ich sagen muss, dass ein bestimmter Nachbar sich in letzter Zeit verdächtig häufig mehrere Minuten lang mit meiner Gattin unterhalten hat. Meistens übers schlechte Wetter oder volle Mülltonnen, aber ich rieche den Braten. Hinter dem Smalltalk steckt ein langfristiger, perfider Plan. Nach einer guten Stunde weniger Lebenszeit verließen wir die Kanzlei. Zeit zu handeln. Alle Sicherheitslücken sind jetzt geschlossen. Keines der von purer Gier zerfressenen Kinder wird sich mein Ende herbeisehnen oder es sogar beschleunigen und kein Schein-Ehe-Nachbar wird seinen Hunger an unserem bescheidenen Kapital stillen. Hannes, lebe lang und glücklich!

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